Georg Imdahl

Blau, blau blau sind alle Bilder

Rudolf de Crignis bei Cora Hölzl in Düsseldorf (English)

Mit ungewöhnlicher Konsequenz malt der in New York lebende Schweizer Rudolf 
de Crignis seit etlichen Jahren ausnahmslos blaue Bilder. Unmittelbar merkt 
man ihnen an, dass sie sich einer leidenschaftlichen Vertiefung in die Farbe 
Blau verdanken, einer introvertierten Recherche, die das ganze Spektrum 
dieser Farbe ausloten will. In seltsamer Spannung changieren die Gemälde 
zwischen Gelassenheit und Erregung. Das Ultramarineblau der fünf Bilder in 
der Düsseldorfer Galerie Cora Hölzl, die Rudolf de Crignis in Zusammenarbeit 
mit der New Yorker Galerie Margarete Roeder vorstellt, wird durch Lasuren von 
Pink, Violett, Weiss und Orange zwischen dem Kreidegrund und der Aussenhaut 
nuanciert.
 Allein die Farbe, ihre durch die Untermalungen hervorgerufenen Schwingungen 
und die Grössen der Bilder bestimmen ihre Gestalt. Diese sucht sich der 
sprachlichen Bemächtigung zu entziehen und zielt direkt auf das sinnliche 
Erleben. Die Bilder bedürfen folglich einer besonderen Geduld und Einfühlung, 
weil sie gerade in ihrem ähnlichen Aussehen zunächst verschlossen anmuten 
können. Aufgebaut aus bis zu vierzig Farbschichten, irritieren sie zudem den 
Blick. Vergeblich sucht er auch aus kurzer Distanz Halt auf der Oberfläche 
und ihrer Textur, worin sie in die Nähe der Gemälde Ad Reinhardts oder auch 
des Kölners Günter Umberg gelangen. Vielmehr öffnen sich tiefe, gleichsam 
ortlose Räume von strahlendem oder gedämpftem, diffusem Licht.
 Es ist weniger kraftvoll als das Blau Yves Kleins. Gleichwohl möchte man 
auch in den Bildern de Crignis' eine Sehnsucht nach dem Transzendenten 
erkennen. In der lichtvollen Klarheit strebt jede Arbeit ein "absolutes" 
Resultat an, eine durch nichts gestörte, makellose Reinheit der Erfahrung. 
Dem forschenden Auge bieten die Tableaus auch die Lust, den farblichen 
Differenzierungen nachzuspüren. Das trifft noch mehr auf die als "Gemälde" 
ausgewiesenen Arbeiten auf Karton zu. Sie sind aus dem  Ausradieren 
unterschiedlicher  Farbtöne hervorgegangen: Kaum erkennbar, schimmern sie 
noch auf der Fläche. De Crignis' Position, angesiedelt im Umkreis des 
"Radical Painting", ist sicherlich nicht populär, aber das Hinschauen lohnt 
sich.                                           
                                           GEORG IMDAHL

Frankfurter Allgemeine Zeitung,  Samstag, 17. April 1999, 
Nr. 89 / Seite 54